Vita

Kosmas Chatziioannidis

Im Zentrum meiner Begeisterung für das Theater stand und steht die Schauspielkunst. Die Faszination über die Kunst des Schauspiels in ihren zahlreichen Facetten hat mich während meiner Ausbildung und Karriere stets begleitet und mich tief in die Thematik dieser Kunst eintauchen lassen. 

Ich habe mich mit der Frage beschäftigt, welche Aufgabe die Schauspieler*innen haben, in welcher Beziehung stehen sie zu dem Stück, dem Autor, dem Regisseur, dem Theater und nicht zuletzt dem Publikum? Statt einer Antwort fand ich zunächst weitere Fragen: Was ist das Handwerk der Schauspieler*innen, wie kommunizieren sie mit dem Publikum und was übermitteln sie diesem? Was sind die Qualitäten die Schauspieler*innen mitbringen müssen, um den Anforderungen ihrer Aufgabe in unserer heutigen Gesellschaft gerecht zu werden? 

Nachdem ich lange als Regisseur gearbeitet und diese Fragen unter Berücksichtigung klassischer, postmoderner sowie aktueller Ausrichtungen erforscht habe, bin ich in der Lage sowohl theoretisch als auch praktisch eine Antwort auf diese Fragestellung zu geben und im besonderen die Ausbildung der Schauspieler*innen begünstigen. Darüber hinaus ist es mir gelungen im Bereich der Regie Vorgänge zu optimieren und neue Impulse zu setzen, die den Umgang mit allen Komponenten einer Inszenierung und derer, die daran beteiligt sind, harmonisch zusammenführen.

Im Frühjahr 2015 habe ich das Theater „Θέατρο Μώ“ in Katerini, Griechenland, gegründet und leite in dem Zusammenhang Schauspiel-Workshops mit verschiedenen Schwerpunkten. 

 Meine berufliche Laufbahn ist geprägt von einer Vielzahl an Inszenierungen unterschiedlicher Gattungen, Spielstätten und Zielgruppen, sowie die Betreuung und Vorbereitung freiberuflicher Schauspieler*innen. 

Lebenslauf // Übersicht Regie und Schauspiel

Begeisterung und Leidenschaft

Eine Quelle der Inspiration

Im Herbst 1988 lernte ich den Intendanten des Tschechow-Kunsttheaters Moskau (MCHAT) Oleg Nikolajewitsch Jefremow in Athen kennen, wo er das Theaterstück „Kirschgarten“ von A.P. Tschechow mit griechischen Schauspielern auf die Bühne brachte. Mit dieser Begegnung fand eine sehr schöne Reise ihren Anfang, die bis heute andauert und eine außergewöhnliche Freundschaft hervorbrachte, die durch die Liebe zum Theater und Schauspiel aufblühte. 

Nach der Premiere von „Kirschgarten“ in Athen fuhr ich nach Kiew – wo ich mein Studium der Regie begonnen hatte – mit der Absicht zurück, mein Studium in Moskau am Kunsttheater fortzusetzen. Mein Professor teilte mir mit, dass ich nur durch die Zusage des MCHAT sowie der Universität Kiew wechseln könnte, was er allerdings stark bezweifelte. Doch die Zusage kam! 

Der Intendant des MCHAT Oleg Nikolajewitsch Jefremow, der mir nicht nur ein Mentor, sondern auch geschätzter Freund wurde, schrieb persönlich eine Zusage für meinen Wechsel an den Dekan meiner Universität, der mir seinerseits das Ok mit der Auflage gab, meinen Abschluss dennoch über die Universität Kiew zu beziehen. Als erster Regiestudent der Universität Kiew erhielt ich damit die Möglichkeit, ein Praktikum am Moskauer Theater der Kunst zu absolvieren, was sich im Folgenden zu einer Tradition entwickelte, die bis heute Bestand hat.  

Von 1988-1990 hatte ich das Privileg Proben, Diskussionen und Workshops unter O. N. Jefremow beobachten und an ihnen teilnehmen zu können, wodurch ich mit vielen Schauspieler, Schriftsteller, Dramaturgen und Bühnenbildnern in Kontakt kam, die sich spontan trafen und über Literatur, Autoren, die Theaterwelt und allgemein die Kunst ausstauschten. Durch die Begleitung der Proben von „Kirschgarten“ zunächst in Athen und folgend auch in Moskau, konnte ich darüber hinaus die Kommunikationsunterschiede von Gesellschaften beobachten und lernen, wie nach neuen Verbindungsmöglichkeiten gesucht wird, um das jeweilige Publikum anzusprechen. Mit den Proben von „Die Kabale der Scheinheiligen“ von Michail Bulgakow unter der Regie von A. Sapiro mit den Schauspielern Jefremow, Smoktunowski, Tabakow, konnte ich miterleben, wie Stanislawskis Methode praktiziert wird und Grenzen überschritten und Charaktere geboren werden, ohne zur Belastung zu werden oder ins Chaos zu führen. Jeden Tag haben wir uns über jedes Detail ausgetauscht und weiterentwickelt. „Die Wirkung des Details muss man am Ganzen betrachten…“. 

Ein Moment während der Proben hat meine Sicht auf die Schauspielkunst und die Arbeit als Regisseurs maßgeblich verändert. Ich bemerkte, dass eine der Schauspielerinnen ihre Rolle entgegen der Einschätzung von Jefremow interpretierte und fragte ihn erstaunt, warum er seine Schauspieler so  spielen lässt, wie sie es für richtig halten  und ihnen nicht diktiert, was er für richtig hält? Seine Antwort war für mich prägend: „Der Regisseur hat nicht das Recht den Schauspieler in eine Spielweise zu zwingen, es wäre eine Vergewaltigung der Seele“. Damit lernte ich, dass es um das Erschaffen eines lebenden Theaterorganismus geht, der nicht Ausdruck der Persönlichkeit des Regisseurs ist, sondern sich aus einem Kollektiv von meist jungen künstlerischen und literarischen Kräften ergibt, die zusammengeführt werden, um eine begründete und frische Bühnentechnik zu finden, wie sie seiner Zeit das Moskauer Kunsttheater hervorgebracht hat. 

Meine Zusammenarbeit mit dem MCHAT krönend, durfte ich die Aufführung „путь из далека“ (Der Weg geht durch das Innen) des griechischen Autors I. Kampanelis inszenieren. Nach „Antigone“ von Sophokles war es das zweite griechische Theaterstück, was in  Moskau am  Kunsttheater das Licht der Bühne erblickte. 

Kosmas Chatziioannidis
Oleg Nikolajewitsch Jefremow
Kostas Kasakos
Freund und Mentor

Kostas Kazakos

Im dritten Jahr meines Studiums, Kiew 1987, befand ich mich in einer Phase der Neuorientierung. Zu dieser Zeit lernte ich Kostas Kazakos, Tzeni Karezi und Oleg Nikolajewitsch Jefremow kennen. Sie gaben mir Inspiration, Freude und eine Chance.

Ich war in Griechenland, in Katerini, um Antigone auf die Bühne zu bringen, als ich erfuhr, dass Kazako und Karezi gemeinsam mit Jefremow in Athen „Kirschgarten“ vorbereiten. Damals wie heute bin ich froh über meine Unbefangenheit in solchen Situationen einfach den Hörer in die Hand zu nehmen und mit den Leuten in Kontakt zu kommen. Es gab keinen Grund, mich als Hospitant an den Proben teilhaben zu lassen und doch haben sie es zugelassen. Durch diese Erfahrung hat sich meine Sicht auf das Theater und die Schauspielkunst nachhaltig verändert.

Kostas Kazakos ist ein Meister darin, die Konflikte eines Stückes zu inszenieren. Dabei überzeugt nicht nur seine präzise Herangehensweise, er schafft es darüber hinaus eine Spannung aufzubauen und aufrechtzuerhalten, in der sich die Geschehnisse natürlich entfalten können. Während er als Regisseur das Potenzial des Theaters in vollen Zügen ausschöpft, offenbart er als Schauspieler die ungeahnten Tiefen der Schauspielkunst und das Streben nach Erkenntnis.

In den sechs Wochen, in denen ich die Proben verfolgen konnte, habe ich das Theater neu entdeckt und meine Leidenschaft dafür loderte wieder auf. Der Umgang mit den Menschen, mit der Kunst sowie die Zusammenarbeit als solche, schaffte eine von Inspiration trotzende Atmosphäre, die den Boden der Inszenierung nährte und mich mit neuen Perspektiven der künstlerischen Arbeit bekannt machte. Damals wie heute schätze ich Kostas Kazakos als Freund und Mentor, der mich stets unterstützt und gefördert hat.